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<title>Metaphern digital – Auf dem Weg von der Annotation zur automatischen Detektion</title>
<author>
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<surname>Do Dinh</surname>
<forename>Erik-Lân</forename>
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<affiliation>UKP Lab, TU Darmstadt</affiliation>
<email>[email protected]</email>
</author>
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<surname>Gerloff</surname>
<forename>Malte</forename>
</name>
<affiliation>Institut für Philosophie, TU Darmstadt</affiliation>
<email>[email protected]</email>
</author>
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<surname>Núñez</surname>
<forename>Alexandra</forename>
</name>
<affiliation>Institut für Sprach- und Literaturwissenschaft, TU Darmstadt</affiliation>
<email>[email protected]</email>
</author>
</titleStmt>
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<date>2015-10-15T12:43:56.797405577</date>
</edition>
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<publicationStmt>
<publisher>Elisabeth Burr, Universität Leipzig</publisher>
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<addrLine>Beethovenstr. 15</addrLine>
<addrLine>04107 Leipzig</addrLine>
<addrLine>Deutschland</addrLine>
<addrLine>Elisabeth Burr</addrLine>
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<p>Converted from an OASIS Open Document</p>
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<label>DHConvalidator</label>
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<keywords scheme="ConfTool" n="category">
<term>Poster</term>
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<keywords scheme="ConfTool" n="subcategory">
<term></term>
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<term>Metaphern</term>
<term>19. Jahrhundert</term>
<term>Natur und Staat</term>
<term>Annotation</term>
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<keywords scheme="ConfTool" n="topics">
<term>Entdeckung</term>
<term>Inhaltsanalyse</term>
<term>Strukturanalyse</term>
<term>Modellierung</term>
<term>Annotieren</term>
<term>Sprache</term>
<term>Forschung</term>
<term>Forschungsprozess</term>
<term>Forschungsergebnis</term>
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<text>
<body>
<p>Das interdisziplinäre Forschungsteam <hi rend="italic">Natur & Staat</hi> hat
sich zum Ziel gesetzt, ein innovatives Computerprogramm für die (semi-)automatische
Metapherndetektion zu entwickeln. Der didaktische Nutzen und wissenschaftliche
Mehrwert des Tools für die geisteswissenschaftliche Forschung und Lehre lassen sich
folgendermaßen umreißen: Synchrone und diachrone Textanalysen des kontextuellen
Metapherngebrauchs können z. B. bei vorliegenden großen Textkorpora rascher
durchgeführt und erste wissenschaftliche Hypothesen evaluiert und modifiziert
werden. Es können zudem auch textsortenübergreifende Analysen qualitativer bis
quantitativer Art durchgeführt werden. Des Weiteren soll das Tool sowohl auf
verschiedene Metapherntheorien als auch auf die jeweiligen Forschungsabsichten
anpassbar sein. Der Fokus des interdisziplinären Vortrags liegt auf der
geisteswissenschaftlichen Methodik, der didaktischen Vermittlung der statistischen
Modellierung des Tools und insbesondere auf den bis jetzt erzielten
Zwischenergebnissen unserer Arbeit. </p>
<div type="div1" rend="DH-Heading2">
<head>Der Untersuchungsgegenstand</head>
<p>Den namensgebenden Untersuchungsgegenstand bildet das neunbändige Volltextkorpus,
das unter dem programmatischen Titel „Natur und Staat. Beiträge zur
naturwissenschaftlichen Gesellschaftslehre“ (im Folgenden: <hi rend="italic"
>Natur & Staat</hi>) u. a. von dem Zoologen Ernst Haeckel herausgegeben
und im Zeitraum von 1903-1911 publiziert wurde. Die Bände liegen als
Volltextdigitalisate in Frakturschrift vor. </p>
<p>Vorausgegangen war ein national und international stark rezipiertes
Preisausschreiben, das 1900-1901 ausgeschrieben und vom bekannten
Großindustriellen Friedrich Alfred Krupp (1854-1902) anonym finanziert wurde.
Die Preisfrage lautete: „Was lernen wir aus den Prinzipien der Descendenztheorie
in Beziehung auf die innerpolitische Entwicklung und Gesetzgebung der Staaten?“.
Diskursanalytisch betrachtet, ist das Korpus u. a. eine Antwort auf die in
verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen vorangegangene Rezeption der
Theorien Charles Darwins im 19. Jahrhundert. Zusammen mit der
sozialdarwinistischen Bewegung wurde ein neues Deutungsmodell des Menschen und
seiner Stellung in der Welt vorbereitet und schließlich etabliert.</p>
<p>
<hi rend="italic">Natur & Staat</hi> bildet besonders aufgrund der Textsorte (vgl. Fix 2011) einen geeigneten Ausgangspunkt für die Metapherndetektion: Es handelt es sich um (populär-)wissenschaftliche Texte (vgl. Polenz 1999, 1981), die primär das Ziel verfolgen, Sachverhalte, Ideen, Theoreme auf der Basis einer sozialdarwinistischen Agenda zu reflektieren, argumentativ aufzubereiten und einem breiten Adressatenkreis zu vermitteln. Das Preisausschreiben öffnete den Weg für einen tiefgreifenden Wandel „ethisch“ genannter, auf eine Einflussnahme kollektiver „Entwicklungen“ abzielender Handlungsmaximen. Die Abhandlungen entwarfen Szenarien einer sozialdarwinistischen Governance von Bildung: einer Sitten- und Wertepolitik für das „Leben“ – mitsamt biotechnischen und eugenischen Implikationen (vgl. Gehring 2009).
</p>
</div>
<div type="div1" rend="DH-Heading2">
<head>Interaktionale Metaphernmodelle</head>
<p>Innerhalb des aufgezeigten Kontextes sollen Ausdrucksgestalt und semantische
Funktion von sprachlichen Metaphern analysiert werden. Interaktionale Modelle
mit ihrer binären Übertragungsstruktur fokussieren u. a. konventionalisierte,
ubiquitäre Alltagsmetaphern. Eine wissenschaftliche Herausforderung in diesem
Forschungsparadigma bilden jedoch die kühnen Metaphern.</p>
<div type="div2" rend="DH-Heading3">
<head>Kühne Metapherntheorien</head>
<p>Metapherntheorien, die die kühne Metapher ins Auge fassen, verorten sich
innerhalb des hermeneutischen Paradigmas und legen das Primat auf das
Besondere. Nur Metaphern, die besonders seien, seien laut Max Black (1954)
für die Philosophie relevant, da nur sie eine erkenntnistheoretische
Funktion hätten. Des Weiteren stellt er in der Folge von I. A. Richards
(1936) fest, dass die Metapher zwei Bestandteile aufweise: Fokus und Rahmen.
Beide bestünden mindestens aus einem Wort und sie seien interaktional,
derart, dass ein System von Implikationen, welches dem Rahmen unterliege,
auf das Implikationssystem des Fokus‘ rückbezüglich wirke. Die Übertragung
der Implikationen geschehe auf der Basis von Ähnlichkeiten. Sie speise sich
somit aus der immanenten Semantik des Implikationssystems, welches durch
statistische Verfahren z. B. über selektionale Präferenzen für den Computer
abbildbar gemacht werden kann. </p>
<p>Gehring (2011) erweiterte dann Blacks Interaktionstheorie, insofern sie den Kontextbruch als eine notwendige Bedingung der Metapher einführt, da aus diesem und dem Fehlen des wörtlichen Sinns der Interaktion die Metapher entstehe. Da aber nicht jede semantische Übertragung eine Metapher sei, weil man ansonsten in die Beliebigkeit abdriften würde, ist die Interaktion der beiden Entitäten, auch eine Interaktion der besonderen Art. Die Größe des Rahmens respektive des Kontexts der Metapher ist sowohl bei Gehring als auch bei Black variabel, könne allerdings durch eine Weglassprobe evaluiert werden. Einigkeit besteht überdies auch darüber, dass die Metapher nur in der Gesamtheit von Fokus und Rahmen bestehe. Weder hinreichende noch notwendige Bedingungen der Metapher seien hingegen, laut Gehring (2011), sowohl Bildlichkeit als auch lexikalische sowie grammatikalische Indikatoren, weil die Metapher deutungsoffen sei; auch schließt sie aus, dass es ein Kontinuum zwischen Begriff und Metapher gebe.</p>
</div>
<div type="div2" rend="DH-Heading3">
<head>Ubiquitäre Metapherntheorie </head>
<p>
<hi rend="italic">Metapher</hi> bezeichnet im Rahmen der konzeptuellen
Metapherntheorie (Lakoff / Johnson 1980; Lakoff 1993; Goatly 2007; Kövecses
2015) zunächst ein zentrales kognitives Vermögen. Die Kernthese der
konzeptuellen Metapherntheorie bildet die Annahme, dass eine unbekannte
Erfahrung ( <hi rend="italic">target domain</hi>) in Analogie zu einer
bereits bekannten Erfahrung ( <hi rend="italic">source domain</hi>)
sprachlich konzeptualisiert wird. Dies betrifft beispielsweise vage Konzepte
wie Emotionen (Kövecses 2003), Theorien und andere abstrakte Sachverhalte,
Relationen (Johnson 1987) und Prozesse (Núñez 2014). Diese metaphorischen
Übertragungsmuster lassen sich auch im Textkorpus <hi rend="italic">Natur
& Staat</hi> indexikalisch auf der Sprachoberfläche mit dem Fokus
auf Lexemen, z. B. Genitivkonstruktionen ([[NP] der/des [NP]]), und weiteren
usuellen Konstruktionen korpuslinguistisch eruieren und annotieren. Die
Verteilung der metaphorischen Sprachphänomene ist dabei im Vergleich zu den
bereits erwähnten kühnen Metaphern als ubiquitär (Paul 1909, Bühler 1934,
Paprotte / Dirven 1985) einzustufen. Die entlehnten konzeptuellen und
sprachlich umgesetzten Domänen können schließlich in einem zweiten Schritt
hinsichtlich regelmäßiger Konzeptübertragungen zwischen den beiden Domänen
systematisiert werden. </p>
</div>
</div>
<div type="div1" rend="DH-Heading2">
<head>Forschungslage</head>
<p>Seit einigen Jahren lässt sich eine verstärkte Entwicklung (zumeist überwachter)
automatisierter Verfahren für die Identifikation und Interpretation von
Metaphern beobachten. Diese Verfahren nutzen überwiegend als Grundlage für die
Modellierung des Untersuchungsgegenstandes <hi rend="italic">Metapher</hi> die
bereits vorgestellte konzeptuelle Metapherntheorie von Lakoff und Johnson
(1980). Dabei gibt es Unterschiede in der Zielsetzung einzelner Verfahren:
Während einige Ansätze lediglich die metaphorische Verwendung bestimmter
Konstruktionen (z. B. Subjekt-Verb-Objekt oder Adjektiv-Nomen) bewerten (Turney
et al. 2011; Tsvetkov et al. 2013; Shutova 2013), weiten andere Verfahren eine
solche Klassifizierung auf alle Inhaltswörter aus (Beigmann Klebanov et al.
2014; Dunn 2013). Darüber hinaus existieren Unterschiede in der Tiefe der
Analyse. So wird bei einem Großteil der Verfahren die konzeptuelle Ebene
ausgeblendet und Metaphern werden ausschließlich als Realisierungen auf der
Sprachoberfläche identifiziert, wenn auch mit Methoden, die sich auf das
Vorhandensein einer konzeptuellen Ebene stützen oder diese voraussetzen. Wenige
Verfahren versuchen, metaphorische Abbildungen auf der konzeptuellen Ebene zu
erkennen (Mason 2004; Shutova et al. 2013). </p>
<p>Neben der Wahl der untersuchten Metapherntheorie und der Ebene, auf der Metaphern erkannt werden, ist ein weiteres Merkmal bestehender automatischer Verfahren die Sprache der behandelten Texte. Diese ist – nicht zuletzt aus praktischen Gründen, wie dem Vorhandensein annotierter Korpora und weiterer Ressourcen wie vordefinierten Datenbanken zu Abstraktheits- und Konkretheitsbewertungen von Wörtern – üblicherweise Englisch. Für einige Verfahren existieren überwachte maschinelle Lernverfahren, die es ermöglichen, auf annotierten, englischen Daten ein Modell zu trainieren, welches durch zweisprachige Wörterbücher für die automatische Identifikation auf Texten anderer Sprachen anwendbar ist (Tsvetkov et al. 2013).</p>
</div>
<div type="div1" rend="DH-Heading2">
<head>Annotationstool, Vorgehen und Ziele</head>
<p>Für die Annotation sowohl kühner als auch ubiquitärer Metaphern verwenden wir zunächst WebAnno (Yimam et al. 2013), ein Web-Annotationsprogramm für mehrere Benutzer mit frei definierbaren Annotationsarten. Dazu setzen wir jeweils unterschiedliche Annotationsebenen ein. Zwei Benutzer mit geisteswissenschaftlicher Expertise im Bereich der Metapherntheorien annotieren dieselben vereinbarten Textabschnitte, um Vergleichswerte für ein Inter-Annotator Agreement zu erhalten. Dabei nutzen wir die Exportmöglichkeiten von WebAnno, um die Annotationsdaten der Nutzer sowie weitere linguistische Merkmale wie Wortarten zu exportieren, mit denen dann ein Inter-Annotator Agreement berechnet, sowie die automatische Weiterverarbeitung für die Identifizierung von Metaphern ausgestaltet werden können.</p>
<p>Hierfür testen wir zunächst in einer Pilotstudie, wie bestehende state-of-the-art
Verfahren für ubiquitäre Metaphern (Tsvetkov et al. 2013; Beigmann Klebanov et
al. 2014) auf deutschen, insbesondere historischen, Texten abschneiden. Dafür
benötigte Ressourcen werden erstellt oder erweitert. Außerdem wird die
Weiterentwicklung bestehender Methoden sowie das Entwickeln neuer Methoden
vorangetrieben, um auch kühne Metaphern zu identifizieren. Die Identifikation
solcher Metaphern stand bislang nicht im Vordergrund automatischer Systeme.
Durch die Wahl des Korpus‘ ergeben sich weitere Herausforderungen, zum Beispiel
eine ungenügende Abdeckung von <hi rend="italic">Natur & Staat</hi> durch
bestehende manuell erstellte Ressourcen wie etwa GermaNet (Hamp / Feldweg, 1997;
Henrich / Hinrichs 2010), sowie ein Mangel an Vergleichskorpora für statistische
Verfahren, die beispielsweise mittels Kookkurrenzen oder selektionaler
Präferenzen Unterschiede zur „Standardsprache“ feststellen können. </p>
</div>
<div type="div1" rend="DH-Heading2">
<head>Ausblick/Fazit</head>
<p>Während mit dem ubiquitären Metaphernmodell somit eher implizite Mechanismen der sprachlichen Sachverhaltsperspektivierung, kurz: konventionalisierte Metaphern, in den Fokus rücken, wird das kühne Metaphernmodell besonders den strukturellen Rezeptions- und Gestaltungsprinzipien des Textes gerecht und vermag auf der Basis des vorgestellten Fokus- und Rahmenkonzepts die besonders markanten Sinnbezirke im Text in den Vordergrund zu rücken. Kühne Metaphern in theoretischen, argumentativen Texten heben sich deutlich von der diskursiv omnipräsenten Sprachstruktur ab: Sie weisen zugleich dadurch, dass sie einen Bruch mit der stilistisch homogenen Sprachstruktur erzeugen, erst auf eben diesen textuell gegebenen Sprachstandard hin und weisen zugleich aufgrund ihres semantischen Verdichtungspotenzials über diesen hinaus (Gehring 2011). Als Sinnbezirke auf der Sprachoberfläche rhetorisch inszeniert und umgesetzt, besitzen kühne Metaphern in
<hi rend="italic">Natur & Staat</hi> insbesondere epistemologisches Potenzial, indem sie neue Theoreme und Idee erst eine besondere sprachliche Gestalt zu geben vermögen.
</p>
<p>Hinsichtlich der Annotation sowohl kühner als auch ubiquitärer Metaphern ist ein hohes Inter-Annotator Agreement notwendig; einerseits als Bestätigung für eine hinreichend gute Operationalisierung und Modellierung der verwendeten Theorie, andererseits um einen verlässlichen Goldstandard für das Training und die Evaluation automatischer Verfahren bereit zu stellen. Diesen Zwischenschritt und die daraus resultierenden Möglichkeiten für Geisteswissenschaften als auch Informatik werden wir in unserem Vortrag vorstellen.</p>
</div>
</body>
<back>
<div type="bibliogr">
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